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Olaf Willenbrock
      
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Hirschgeweihe


Eingewachsene Hirschgeweihe

Neben den recht häufig zu findenden  eingewachsenen Schildern und Zäunen gibt es auch besonders kuriose Dinge, die in Bäumen eingewachsen sind. Zu den Dingen, die man nur selten zu Gesicht bekommt, zählen eingewachsene Hirschgeweihe.

Zu diesem Spezialfall hat Prof. Dr. Martin Dambach vom Zoologischen Institut der Universität Köln eine ausführliche Untersuchung vorgelegt. Er stellte freundlicherweise seine Ergebnisse und einige der Fotos für diese Homepage zur Verfügung.

An dieser Stelle möchte ich mich nochmals ausdrücklich dafür bedanken.

Die nachfolgenden Informationen stammen aus seiner Veröffentlichung:
Dambach, M. (2002): Das vom Baumstamm umwachsene Hirschgeweih. Eine Kuriosität der Kunst- und Wunderkammern des 16. und 17. Jahrhunderts. Zeitschrift für Jagdwissenschaft, 48, S.161-185.

Die beschriebenen Hirschgeweihe stammen ausschließlich aus so genannten Kunst- und Wunderkammern, in denen sie ausgestellt wurden. Das Alter der Objekte geht zum Teil bis in das 15. Jahrhundert zurück. Bisher konnten sieben Objekte dieser Art recherchiert werden. Sie befinden sich in den Sammlungen auf Schloss Ambras bei Innsbruck, in Kopenhagen und Hørsholm (Dänemark), sowie in Berlin und München.

Alle Fotos der eingewachsenen Geweihe befinden sich in der Fotogalerie in der Kategorie "Tiere".
 

Das Geweih von Schloss Ambras

In der Kunst- und Wunderkammer von Schloss Ambras bei Innsbruck kann das eindrucksvollste eingewachsene Hirschgeweih betrachtet werden. Das mächtige Geweih eines Rothirsches mit 22 Enden steckt in einem Eichenklotz, der aus einer ehemaligen Astgabel besteht und umgekehrt auf die beiden Aststümpfe gestellt ist.

Eine zeichnerische Rekonstruktion mit dem vermuteten Zustand vor dem Einwachsen in die Astgabel ist in der Fotogalerie abgebildet.

Es soll im 16. Jahrhundert in einem Wald in Österreich gefunden worden sein. Erstmalig erwähnt wurde das Objekt 1596.

Geweih von Schloss Ambras Geweih von Schloss Ambras

Das Geweih von Schloss Ambras in der auf dem Kopf stehenden Astgabel
Foto links: Kunsthistorisches Museum Wien
Foto rechts: M. Dambach
 

Das eingewachsene Geweih von Berlin

Auch in Berlin gibt es ein Geweih zu sehen, das ähnlich wie das Geweih von Schloss Ambras in einer Astgabel einer Eiche eingewachsen ist. Es wurde 1768 erstmals erwähnt und befindet sich heute im Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität Berlin.
 

Als Erklärung für das Auftreten von Geweihen, die in Astgabeln eingewachsen sind, können verschiedene Möglichkeiten genannt werden, die letzendlich jedoch nur Vermutungen bleiben.

Eine natürliche Erklärung, etwa das Sichverfangen eines Hirsches auf eine Art, die zu einer solchen Fixierung des Geweihes führt, wäre äußerst unwahrscheinlich, so dass von einem menschlichem Zutun mit einer bestimmten Absicht ausgegangen werden muss.

In einer früheren Erklärung (1882) wurde vermutet, dass in Astgabeln aufgehängte Geweihe die Grenzen von Forstrevieren kennzeichnen könnten. Hierfür spricht, dass diese amtliche Bedeutung als Markierung das Geweih vor dem Verrücken oder Entfernen geschützt haben könnte. Allerdings fehlen hierfür weitere Text- oder Bildzeugnisse, so dass diese Erklärung eher unwahrscheinlich ist.

Es wäre auch möglich, dass Wilderer das Geweih vorübergehend in der Astgabel deponiert haben, um es vor Mäusefraß und Huminsäuren zu schützen. Später wurde das Geweih jedoch nicht abgeholt.

Auch ein Opfergeschenk an eine Jagdgottheit ist möglich. Dies ist jedoch nicht belegt. Nachgewiesen sind nur die Opfergaben von Haustieren.


Das eingewachsene Geweih von Kopenhagen

Die Verwachsung des Geweihs von Kopenhagen ist sehr wahrscheinlich ohne menschliches Zutun entstanden. Vermutlich handelt es sich hierbei um die Folge eines Unfalls, bei dem sich der Hirsch in einer jungen Eiche verfangen hat und sich nicht mehr befreien konnte. Das Geweih wurde 1674 erstmals erwähnt und befindet sich heute im Dänischen Museum für Jagd und Forstwirtschaft in Hørsholm (Dansk Jagt- og Skovbrugsmuseum).

Aus der selben Sammlung stammt auch ein eingewachsener Pferdekiefer (siehe Fotogalerie in der Kategorie "Tiere"). 
 

Die eingewachsenen Geweihstücke von München

Ein ganz besonderes Objekt befindet sich in der Kunstkammer von Georg Laue in München. Es unterscheidet sich von den anderen bisher vorgestellten, da sich die aus der Eiche herausragenden Geweihteile offensichtlich nicht zu einem vollständigen Geweih ergänzen. Sichtbar sind eine große Geweihrose sowie vier herausragende Sprossenden, von denen zwei unmittelbar neben der Rose stecken.

Das Röntgenbild zeigt deutlich, dass es sich nicht um ein vollständiges Geweih handelt sondern um verschiedene Einzelteile, die offensichtlich in planvoller Weise in entsprechend vorbereitete Bohrungen gesteckt wurden.

Die eingewachsenen Geweihstücke von München Die eingewachsenen Geweihstücke von München

Die eingewachsenen Geweihstücke von München
Foto: Kunstkammer Georg Laue, München
Röntgenbild: Anatomisches Institut der Universität München

Als Zeitpunkt der Fällung wurde das Jahr 1461 ermittelt (nach dendrochronologischer Datierung). Der Überwallungszeitraum der Geweihteile wird auf 15 bis 20 Jahre geschätzt.

Über die Herkunft und den Urheber des Objektes können mehrere Vermutungen angestellt werden.

Zum einen könnte es sich um eine Fälschung handeln also um die Herstellung eines potentiellen Sammlungsobjektes. Dagegen spricht, dass ein möglicher "Markt" für Sensationelles aus dem Reich der Natur erst etwa 100 Jahre später begann.

Zum anderen kann es ein Produkt des Aberglaubens sein. Der Hirsch hatte in vielen Kulturen eine mystische Bedeutung. So wurde das Abwerfen des Geweihs als Geschenk seiner Waffe an den Menschen gedeutet.

Als weitere Erklärung kann ein Pfropfungsexperiment genannt werden. In der damaligen Zeit gab es die Vorstellung, dass das Geweih aus Holz bestand und auf dem Kopf des Hirsches wächst. Möglich ist, dass ein wissbegieriger Gelehrter versucht hat, ein Pfropfungsexperiment durchzuführen.
 

Eingewachsene Geweihe gesucht

Falls Ihnen einmal ein eingewachsenes Hirschgeweih oder ein anderes eingewachsenes Teil eines Tieres begegnen sollte, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich informieren würden.
Mehr Infos unter
Baum gefunden.

 

Alle Fotos der eingewachsenen Geweihe befinden sich in der Fotogalerie in der Kategorie "Tiere".

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