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Olaf Willenbrock
      
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Balzer Herrgott


Der Balzer Herrgott

Einer der berühmtesten Bäume, in dem etwas eingewachsen ist, ist der "Balzer Herrgott" im Schwarzwald. Es ist eine Christusfigur aus Sandstein, die von einer Buche umwachsen worden ist. Der Baum ist seit mehreren Jahrzehnten bekannt und ist zu einem viel besuchten Pilgerort geworden.

Über die Herkunft des Balzer Herrgotts gibt es unterschiedliche Geschichten, die sich zum Teil widersprechen. Auch für den Namen werden verschiedene Erklärungen genannt. Zum einen soll er auf den Namen eines Bauern zurückzuführen sein (Balzer = Balthasar). Zum anderen wird gesagt, dass der Ort an dem die Buche steht, früher ein Balzplatz für Auerhähne gewesen sein soll. Zu den verschiedenen Geschichten gibt es zahlreiche Seiten im Internet (siehe Links).

Balzer Herrgott, 2005

Balzer Herrgott im Jahr 2005

Die Überwallung des Balzer Herrgotts

Auf dieser Seite wird der Verlauf der Überwallung beschrieben. Dazu wurden verschiedene Quellen verwendet, vor allem eine Veröffentlichung von Schwabe & Kratochwil 1987 (siehe unten). Außerdem werden einige Fotos vorgestellt, die den Verlauf der Überwallung dokumentieren. In der Fotogalerie in der Kategorie "Heilige" sind die Fotos mit einer höheren Auflösung zu sehen.

Der Balzer Herrgott besteht aus Kalksandstein und hat vermutlich ein Eisenskelett, dass zur Befestigung an seinem ursprünglichen Ort diente. Die Arme und Beine der Figur fehlten bereits, als sie am Baum befestigt wurde.

Aus welchen Jahr die Buche stammt, kann nur geschätzt werden. Die Schätzungen schwanken zwischen Anfang und Ende des 18. Jahrhunderts. Der Balzer Herrgott soll ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst in der Nähe der Buche achtlos am Boden gelegen haben. Zwischen 1870 und 1880 soll er dann an der Buche befestigt worden sein. 1927 war die Figur an den Lenden noch frei, bis zum Jahr 1955 wurden die Lenden vollständig überwallt (siehe Fotos weiter unten). 1975 schloss sich die Rinde unterhalb der Brust und im Jahr 1986 sah man nur noch den geneigten Kopf und ein Stück der Brust. In diesem Jahr befürchtete man, dass die Überwallung noch weiter voranschreiten würde und den Balzer Herrgott vollständig verschlucken würde. Man entschloss sich den Kopf der Figur wieder freizuschneiden und das freigelegte Holz gegen Pilze und Feuchtigkeit zu versiegeln. Im Laufe von neun Jahren ist die Umwallung weiter gewachsen und hat starken Druck auf den Kopf ausgeübt. Es war zu befürchten, dass der Kopf abgesprengt wird. 1995 wurde eine Rille um die Umwallung geschnitzt, um das Wachstum zu verhindern. Seit dem ist der Kopf von einem deutlichen, fast herzförmingen Kallus umgeben. Man muss davon ausgehen, dass die Überwallung trotzdem weiter gehen wird und eines Tages wieder Maßnahmen ergriffen werden müssen.

Balzer Herrgott, Stadien der Überwallung, Bild 1 Balzer Herrgott, Stadien der Überwallung, Bild 2

Stadien der Überwallung. Links: vor der Überwallung.
Rechts: an den Hüften beginnt die Überwallung.
Die Bilder stammen aus dem
Dorfmuseum Gütenbach (Fotos: Egon Scherzinger).

Balzer Herrgott, Stadien der Überwallung, Bild 3 Balzer Herrgott, Stadien der Überwallung: in den 1960er Jahren

Stadien der Überwallung. Links: ein weiterer Teil des Unterkörpers ist abgebrochen.
Rechts: eine Postkarte aus den 1960er Jahren.
Die Bilder stammen aus dem
Dorfmuseum Gütenbach.

Balzer Herrgott, Stadien der Überwallung: 1981 Balzer Herrgott, Stadien der Überwallung: 1984

Stadien der Überwallung (beachte Auge, Stirn und Brust).
Links: 1981, aus der Veröffentlichung von Schwabe & Kratochwil 1987 (siehe unten).
Rechts: aus Jörg Zink (1985): Trauer hat heilende Kraft. Kreuz Verlag

Balzer Herrgott, Stadien der Überwallung 1930, 1960 und 1986

Stadien der Überwallung: 1930, 1960 sowie vor und nach dem Freischneiden 1986.
Die Bilder stammen von der Schautafel neben der Christusfigur. Die Zeichnungen wurden von Josef Rombach aus Gütenbach erstellt, der auch das Freischneiden durchgeführt hat.

Es stellt sich natürlich die Frage, wie die Jesusfigur in so kurzer Zeit so stark überwallt werden konnte. Reicht das normale Dickenwachstum der Buche aus für eine so schnelle Überwallung? Und wie wurde eigentlich die Steinfigur an der Buche befestigt? Antworten auf diese Fragen liefert die Veröffentlichung von:

Schwabe, Angelika & Kratochwil, Anselm (1987):
Weidbuchen im Schwarzwald und ihre Entstehung durch Verbiß des Wälderviehs. Verbreitung, Geschichte u. Möglichkeiten der Verjüngung. Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Institut für Ökologie und Naturschutz, Karlsruhe, Beihefte zu den Veröffentlichungen für Naturschutz und Landschaftspflege in Baden-Württemberg, Heft 49, 120 S.

In diesem Heft wird ausführlich über die Entstehung der so genannten Weidbuchen geschrieben, die nicht nur im Schwarzwald weit verbreitet sind. Die besondere Wuchsform der Weidbuchen kann auch bei der Buche mit dem Balzer Herrgott erkannt werden. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Buche zur Zeit der Befestigung der Figur eine andere Gestalt hatte als heute. Dies würde die Art und Weise des Einwachsens erklären.

Weidbuchen entstehen, wenn die Triebe der jungen Buchen immer wieder von Tieren abgefressen werden. Dieser "Verbiss" wird sowohl von Weidetieren (Kühe und Ziegen) als auch von Wildtieren (Rehe und Hirsche) verursacht. Die Buchen entwickeln dann immer wieder neue Triebe und gehen dabei eher in die Breite als in die Höhe. Sie sehen dann aus wie ein Busch und werden auch Kuhbusch genannt.

Erst wenn der Durchmesser eines Kuhbusches so groß ist, dass die Tiere mit ihrem Maul die Mitte des Busches nicht mehr erreichten können, können einige Triebe "durchwachsen". Die Kuhbüsche erhalten dann eine sehr charakteristische Form (siehe Foto).

Wenn es mehrere Triebe geschaft haben, wachsen sie gleichzeitig in die Höhe und bilden mehrere Stämme. Diese Teilstämme wachsen mehr oder weniger parallel. Wenn der Baum ca. 100 Jahre alt ist, beginnen die Teilstämme zu einem einzigen mächtigen Stamm zusammenzuwachsen. Dabei können spektakuläre Wuchsformen entstehen mit knorrigen Ästen und Hohlräumen, die von Höhlenbrütern genutzt werden. Häufig können die früheren Einzelstämme noch erkannt werden. Wenn diese Weidbuchen 200 bis 300 Jahre alt werden, dann sind sie oft von innen hohl.

Kuhbusch

Kuhbüsche mit charakteristischer Form
durchVerbiss von Rehen oder Hirschen.
(Reinhardswald, nördlich von Kassel, 2004)

Bei der Buche des Balzer Herrgott handelt es sich vermutlich ebenfalls um eine Weidbuche, die früher aus Einzelstämmen bestand. Schwabe & Kratochwil konnten 10 Teilstämme zählen, die inzwischen zu einer mächtigen Buche zusammengewachsen sind. Sie schätzen, dass die Buche ca. 100 Jahre alt war, als die Christusfigur befestigt wurde. Das heißt, der Baum bestand noch aus mehreren Teilstämmen, die noch nicht miteinander verwachsen waren. Der Körper des Balzer Herrgott befindet sich genau zwischen zwei Teilstämmen, wie man heute noch leicht erkennen kann. Das Eisenskelett, das hinten an der Figur angebracht war, wurde wahrscheinlich zwischen diese beiden Teilstämme eingeklemmt. Die Figur wurde in einer Periode von der Buche überwallt, in der das Kuhbuschstadium abgeschlossen war und die Weidbuche, insbesondere zwischen den Teilstämmen, mit der Verwachsung begann.

Weitere Fotos befinden sich in der Fotogalerie in der Kategorie "Heilige".

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